Wie manches Mal durch das noch unbelaubte Gezweig ein Morgen durchsieht, der schon ganz im Frühling ist: so ist in seinem Haupte nichts, was verhindern könnte, das der Glanz aller Gedichte uns fast tödlich träfe; denn noch kein Schatten ist in seinem Schaun, zu kühl für Lorbeer sind noch seine Schläfe, und später erst wird aus den Augenbraun hochstämmig sich der Rosengarten heben, aus welchem Blätter, einzeln, ausgelöst hintreiben werden auf des Mundes Beben, der jetzt noch still ist, niegebraucht und blinkend und nur mit seinem Lächeln etwas trinkend, als würde ihm sein Singen eingeflößt. Geschrieben Juli 1906 in Paris
Diese Neigung, in den Jahren, da wir alle Kinder waren, viel allein zu sein, war mild; andern ging die Zeit im Streite, und man hatte seine Seite, seine Nähe, seine Weite, einen Weg, ein Tier, ein Bild. Und ich dachte noch, das Leben hörte niemals auf zu geben, dass man sich in sich besinnt. Bin ich in mir nicht im Größten? Will mich meines nicht mehr trösten und verstehen wie als Kind? Plötzlich bin ich wie verstoßen, und zu einem Übergroßen wird mir diese Einsamkeit, wenn, auf meiner Brüste Hügeln stehend, mein Gefühl nach Flügeln oder einem Ende schreit. Geschrieben Juli 1906 in Paris
Wie soll ich meine Seele halten, dass sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie hinheben über dich zu andern Dingen? Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas Verlorenem im Dunkel unterbringen an einer fremden stillen Stelle, die nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen. Doch alles, was uns anrührt, dich und mich, nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich, der aus zwei Saiten eine Stimme zieht. Auf welches Instrument sind wir gespannt? Und welcher Spieler hat uns in der Hand? O süßes Lied. Geschrieben März 1907 auf Capri
O du wilde weite Werferin: Wie ein Speer bei andern Dingen lag ich bei den Meinen. Dein Erklingen warf mich weit. Ich weiß nicht, wo ich bin. Mich kann keiner wiederbringen. Meine Schwestern denken mich und weben, und das Haus ist voll vertrauter Schritte. Ich allein bin fern und fortgegeben, und ich zittere wie eine Bitte; denn die schöne Göttin in der Mitte ihrer Mythen glüht und lebt mein Leben. Geschrieben Winter 1906 in Meudon
Unruh will ich über dich bringen, schwingen will ich dich, umrankter Stab. Wie das Sterben will ich dich durchdringen und dich weitergeben wie das Grab an das Alles: allen diesen Dingen. Geschrieben Winter 1906 in Meudon
Und was hättest du mir denn zu sagen, und was gehst du meine Seele an, wenn sich deine Augen niederschlagen vor dem nahen Nichtgesagten? Mann, sieh, uns hat das Sagen dieser Dinge hingerissen und bis in den Ruhm. Wenn ich denke: unter euch verginge dürftig unser süßes Mädchentum, welches wir, ich Wissende und jene mit mir Wissenden, vom Gott bewacht, trugen unberührt, dass Mytilene wie ein Apfelgarten in der Nacht duftete vom Wachsen unsrer Brüste -. Ja, auch dieser Brüste, die du nicht wähltest wie zu Fruchtgewinden, freier mit dem weggesenkten Angesicht. Geh und lass mich, dass zu meiner Leier komme, was du abhältst: alles steht. Dieser Gott ist nicht der Beistand zweier, aber wenn er durch den einen geht - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Fragment. Geschrieben Juli 1907 in Paris.
Wir gedenkens noch. Das ist, als müsste alles dieses einmal wieder sein. Wie ein Baum an der Limonenküste trugst du deine kleinen leichten Brüste in das Rauschen seines Bluts hinein: - jenes Gottes. Und es war der schlanke Flüchtling, der verwöhnende der Fraun. Süß und glühend, warm wie dein Gedanke, überschattend deine frühe Flanke und geneigt wie deine Augenbraun. Geschrieben Winter 1906 in Meudon
O wie blüht mein Leib aus jeder Ader duftender, seitdem ich dich erkenn; sieh, ich gehe schlanker und gerader, und du wartest nur-: wer bist du denn? Sieh: ich fühle, wie ich mich entferne, wie ich Altes, Blatt um Blatt, verlier. Nur dein Lächeln steht wie lauter Sterne über dir und bald auch über mir. Alles was durch meine Kinderjahre namenlos noch und wie Wasser glänzt, will ich nach dir nennen am Altare, der entzündet ist von deinem Haare und mit deinen Brüsten leicht bekränzt. Geschrieben Winter 1906 in Meudon
Ist dieses Bette nicht wie eine Küste, ein Küstenstreifen nur, darauf wir liegen? Nichts ist gewiss als deine hohen Brüste, die mein Gefühl in Schwindeln überstiegen. Denn diese Nacht, in der so vieles schrie, in der sich Tiere rufen und zerreißen, ist sie uns nicht entsetzlich fremd? Und wie: was draußen langsam anhebt, Tag geheißen, ist das uns denn verständlicher als sie? Man müsste so sich ineinanderlegen wie Blütenblätter um die Staubgefäße: so sehr ist überall das Ungemäße und häuft sich an und stürzt sich uns entgegen. Doch während wir uns aneinanderdrücken, um nicht zu sehen, wie es ringsum naht, kann es aus dir, kann es aus mir sich zücken: denn unsre Seelen leben von Verrat. Geschrieben Mai/Juni 1906 in Paris
I Sie lag. Und ihre Kinderarme waren von Dienern um den Welkenden gebunden, auf dem sie lag die süßen langen Stunden, ein wenig bang vor seinen vielen Jahren. Und manchmal wandte sie in seinem Barte ihr Angesicht, wenn eine Eule schrie; und alles, was die Nacht war, kam und scharte mit Bangen und Verlangen sich um sie. Die Sterne zitterten wie ihresgleichen, der Duft ging suchend durch das Schlafgemach, der Vorhang rührte sich und gab ein Zeichen, und leise ging ihr Blick dem Zeichen nach - . Aber sie hielt sich an dem dunkeln Alten, und von der Nacht der Nächte nicht erreicht, lag sie auf seinem fürstlichen Erkalten jungfräulich und wie eine Seele leicht. II Der König saß und sann den leeren Tag getaner Taten, ungefühlter Lüste und seiner Lieblingshündin, der er pflag -, Aber am Abend wölbte Abisag sich über ihm. Sein wirres Leben lag verlassen wie verrufne Meeresküste unter dem Sternbild ihrer stillen Brüste. Und manchmal, als ein Kundiger der Frauen, erkannte er durch seine Augenbrauen den unbewegten, küsselosen Mund; und sah: ihres Gefühles grüne Rute neigte sich nicht herab zu seinem Grund. Ihn fröstelte. Er horchte wie ein Hund und suchte sich in seinem letzten Blute. Geschrieben Winter 1906 in Meudon
I König, hörst du, wie mein Saitenspiel Fernen wirft, durch die wir uns bewegen: Sterne treiben uns verwirrt entgegen, und wir fallen endlich wie ein Regen, und es blüht, wo dieser Regen fiel. Mädchen blühen, die du noch erkannt, die jetzt Frauen sind und mich verführen; den Geruch der Jungfraun kannst du spüren, und die Knaben stehen, angespannt schlank und atmend, an verschwiegnen Türen. Dass mein Klang dir alles wiederbrächte. Aber trunken taumelt mein Getön: Deine Nächte, König, deine Nächte -, und wie waren, die dein Schaffen schwächte, o wie waren alle Leiber schön. Dein Erinnern glaub ich zu begleiten, weil ich ahne. Doch auf welchen Saiten greif ich dir ihr dunkles Lustgestöhn? - II König, der du alles dieses hattest und der du mit lauter Leben mich überwältigest und überschattest: komm aus deinem Throne und zerbrich meine Harfe, die du so ermattest. Sie ist wie ein abgenommner Baum: durch die Zweige, die dir Frucht getragen, schaut jetzt eine Tiefe wie von Tagen welche kommen -, und ich kenn sie kaum. Lass mich nicht mehr bei der Harfe schlafen; sieh dir diese Knabenhand da an: glaubst du, König, dass sie die Oktaven eines Leibes noch nicht greifen kann? III König, birgst du dich in Finsternissen, und ich hab dich doch in der Gewalt. Sieh, mein festes Lied ist nicht gerissen, und der Raum wird um uns beide kalt. Mein verwaistes Herz und dein verworrnes hängen in den Wolken deines Zornes, wütend ineinander eingebissen und zu einem einzigen verkrallt. Fühlst du jetzt, wie wir uns umgestalten? König, König, das Gewicht wird Geist. Wenn wir uns nur aneinander halten, du am Jungen, König, ich am Alten, sind wir fast wie ein Gestirn das kreist. Geschrieben Winter 1906 in Meudon
So wie der Strom am Ausgang seine Dämme durchbricht mit seiner Mündung Übermaß, so brach nun durch die Ältesten der Stämme zum letztenmal die Stimme Josuas. Wie waren die geschlagen, welche lachten, wie hielten alle Herz und Hände an, als hübe sich der Lärm von dreißig Schlachten in einem Mund; und dieser Mund begann. Und wieder waren Tausende voll Staunen wie an dem großen Tag vor Jericho, nun aber waren in ihm die Posaunen, und ihres Lebens Mauern schwankten so, dass sie sich wälzten, von Entsetzen trächtig und wehrlos schon und überwältigt, eh sie´s noch gedachten, wie er eigenmächtig zu Gibeon die Sonne anschrie: Steh! Und Gott ging hin, erschrocken wie ein Knecht, und hielt die Sonne, bis ihm seine Hände wehtaten, ob dem schlachtenden Geschlecht, nur weil da einer wollte, dass sie stände. Und das war dieser; dieser Alte wars, von dem sie meinten, dass er nicht mehr gelte inmitten seines hundertzehnten Jahrs. Da stand er auf und brach in ihre Zelte. Er ging wie Hagel nieder über Halmen. Was wollt ihr Gott versprechen? Ungezählt stehn um euch Götter, wartend, dass ihr wählt. Doch wenn ihr wählt, wird euch der Herr zermalmen. Und dann, mit einem Hochmut ohnegleichen: Ich und mein Haus, wir bleiben ihm vermählt. Da schrien sie alle: Hilf uns, gib ein Zeichen und stärke uns zu unsrer schweren Wahl. Aber sie sahn ihn, wie seit Jahren schweigend, zu seiner festen Stadt am Berge steigend; und dann nicht mehr. Es war das letzte Mal. Geschrieben Juli 1906 in Paris
Nun fortzugehn von alle dem Verworrnen, das unser ist und uns doch nicht gehört, das, wie das Wasser in den alten Bornen, uns zitternd spiegelt und das Bild zerstört; von allem diesen, das sich wie mit Dornen noch einmal an uns anhängt - fortzugehn und Das und Den, die man schon nicht mehr sah (so täglich waren sie und so gewöhnlich), auf einmal anzuschauen: sanft, versöhnlich und wie an einem Anfang und von nah und ahnend einzusehn, wie unpersönlich, wie über alle hin das Leid geschah, von dem die Kindheit voll war bis zum Rand - : Und dann noch fortzugehen, Hand aus Hand, als ob man ein Geheiltes neu zerrisse, und fortzugehn: wohin? Ins Ungewisse, weit in ein unverwandtes warmes Land, das hinter allem Handeln wie Kulisse gleichgültig sein wird: Garten oder Wand; und fortzugehn: warum? Aus Drang, aus Artung, aus Ungeduld, aus dunkler Erwartung, aus Unverständlichkeit und Unverstand: Dies alles auf sich nehmen und vergebens vielleicht Gehaltnes fallen lassen, um allein zu sterben, wissend nicht warum - Ist das der Eingang eines neuen Lebens? Geschrieben Juni 1906 in Paris
Er ging hinauf unter dem grauen Laub ganz grau und aufgelöst im Ölgelände und legte seine Stirne voller Staub tief in das Staubigsein der heißen Hände. Nach allem dies. Und dieses war der Schluss. Jetzt soll ich gehen, während ich erblinde, und warum willst Du, dass ich sagen muss, Du seist, wenn ich Dich selber nicht mehr finde. Ich finde Dich nicht mehr. Nicht in mir, nein. Nicht in den andern. Nicht in diesem Stein. Ich finde Dich nicht mehr. Ich bin allein. Ich bin allein mit aller Menschen Gram, den ich durch Dich zu lindern unternahm, der Du nicht bist. o namenlose Scham... Später erzählte man, ein Engel kam - . Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht und blätterte gleichgültig in den Bäumen. Die Jünger rührten sich in ihren Träumen. Warum ein Engel? Ach es kam die Nacht. Die Nacht, die kam, war keine ungemeine; so gehen hunderte vorbei. Da schlafen Hunde, und da liegen Steine. Ach eine traurige, ach irgendeine, die wartet, bis es wieder Morgen sei. Denn Engel kommen nicht zu solchen Betern, und Nächte werden nicht um solche groß. Die Sich-Verlierenden lässt alles los, und die sind preisgegeben von den Vätern und ausgeschlossen aus der Mütter Schoß. Geschrieben Juni 1906 in Paris
So seh ich, Jesus, deine Füße wieder, die damals eines Jünglings Füße waren, da ich sie bang entkleidete und wusch; wie standen sie verwirrt in meinen Haaren und wie ein weißes Wild im Dornenbusch. So seh ich deine niegeliebten Glieder zum erstenmal in dieser Liebesnacht. Wir legten uns noch nie zusammen nieder, und nun wird nur bewundert und gewacht. Doch, siehe, deine Hände sind zerrissen-: Geliebter, nicht von mir, von meinen Bissen. Dein Herz steht offen, und man kann hinein: das hätte dürfen nur mein Eingang sein. Nun bist du müde, und dein müder Mund hat keine Lust zu meinem wehen Munde-. O Jesus, Jesus, wann war unsre Stunde? Wie gehn wir beide wunderlich zugrund. Geschrieben Juni 1906 in Paris
Sieh, wie sich alles auftut: so sind wir; denn wir sind nichts als solche Seligkeit. Was Blut und Dunkel war in einem Tier, das wuchs in uns zur Seele an und schreit als Seele weiter. Und es schreit nach dir. Du freilich nimmst es nur in dein Gesicht, als sei es Landschaft: sanft und ohne Gier. Und darum meinen wir, du bist es nicht, nach dem es schreit. Und doch, bist du nicht der, an den wir uns ganz ohne Rest verlören? Und werden wir in irgendeinem mehr? Mit uns geht das Unendliche vorbei. Du aber sei, du Mund, dass wir es hören, du aber, du Uns-Sagender: du sei. Geschrieben März 1907 auf Capri
Er lag. Sein aufgestelltes Antlitz war bleich und verweigernd in den steilen Kissen, seitdem die Welt und dieses von ihr Wissen, von seinen Sinnen abgerissen, zurückfiel an das teilnahmslose Jahr. Die, so ihn leben sahen, wussten nicht, wie sehr er eines war mit allem diesen, denn dieses: diese Tiefen, diese Wiesen und diese Wasser waren sein Gesicht. O sein Gesicht war diese ganze Weite, die jetzt noch zu ihm will und um ihn wirbt; und seine Maske, die nun bang verstirbt, ist zart und offen wie die Innenseite von einer Frucht, die an der Luft verdirbt. Geschrieben Mai/Juni 1906 in Paris
Als ob er horchte. Stille: eine Ferne... Wir halten ein und hören sie nicht mehr. Und er ist Stern. Und andre große Sterne, die wir nicht sehen, stehen um ihn her. O er ist alles. Wirklich, warten wir, dass er uns sähe? Sollte er bedürfen? Und wenn wir hier uns vor ihm niederwürfen, er bliebe tief und träge wie ein Tier. Dann das, was uns zu seinen Füßen reißt, das kreist in ihm seit Millionen Jahren. Er, der vergisst, was wir erfahren, und der erfährt, was uns verweist. Geschrieben Ende 1905 in Meudon
Im Sturm, der um die starke Kathedrale wie ein Verneiner stürzt der denkt und denkt, fühlt man sich zärtlicher mit einem Male von deinem Lächeln zu dir hingelenkt: lächelnder Engel, fühlende Figur, mit einem Mund, gemacht aus hundert Munden: gewahrst du gar nicht, wie dir unsre Stunden abgleiten von der vollen Sonnenuhr, auf der des Tages ganze Zahl zugleich, gleich wirklich, steht in tiefem Gleichgewichte, als wären alle Stunden reif und reich. Was weißt du, Steinerner, von unserm Sein? und hältst du mit noch seligerm Gesichte vielleicht die Tafel in die Nacht hinein? Chartres. Geschrieben 1906 in Paris
In jenen kleinen Städten, wo herum die alten Häuser wie ein Jahrmarkt hocken, der sie bemerkt hat plötzlich und, erschrocken. die Buden zumacht und, ganz zu und stumm, die Schreier still, die Trommeln angehalten, zu ihr hinaufhorcht aufgeregten Ohrs -: dieweil sie ruhig immer in dem alten Faltenmantel ihrer Contreforts dasteht und von den Häusern gar nicht weiß: in jenen kleinen Städten kannst du sehn, wie sehr entwachsen ihrem Umgangskreis die Kathedralen waren. Ihr Erstehn ging über alles fort, so wie den Blick des eignen Lebens viel zu große Nähe fortwährend übersteigt, und als geschähe nichts anderes; als wäre Das Geschick, was sich in ihnen aufhäuft ohne Maßen, versteinert und zum Dauernden bestimmt, nicht Das, was unten in den dunkeln Straßen vom Zufall irgendwelche Namen nimmt und darin geht, wie Kinder Grün und Rot und was der Krämer hat als Schürze tragen. Da war Geburt in diesen Unterlagen, und Kraft und Andrang war in diesem Ragen und Liebe überall wie Wein und Brot, und die Portale voller Liebesklagen. Das Leben zögerte im Stundenschlagen, und in den Türmen, welche voll Entsagen auf einmal nicht mehr stiegen, war der Tod. Geschrieben Juni 1906 in Paris
I Da blieben sie, als wäre jene Flut zurückgetreten, deren großes Branden an diesen Steinen wusch, bis sie entstanden; sie nahm im Fallen manches Attribut aus ihren Händen, welche viel zu gut und gebend sind, um etwas festzuhalten. Sie blieben, von den Formen in Basalten durch einen Nimbus, einen Bischofshut, bisweilen durch ein Lächeln unterschieden, für das ein Antlitz seiner Stunden Frieden bewahrt hat als ein stilles Zifferblatt; jetzt fortgerückt ins Leere ihres Tores, waren sie einst die Muschel eines Ohres und fingen jedes Stöhnen dieser Stadt. II Sehr viele Weite ist gemeint damit: so wie mit den Kulissen einer Szene die Welt gemeint ist; und so wie durch jene der Held im Mantel seiner Handlung tritt: - so tritt das Dunkel dieses Tores handelnd auf seiner Tiefe tragisches Theater, so grenzenlos und wallend wie Gott-Vater und so wie Er sich wunderlich verwandelnd in einen Sohn, der aufgeteilt ist hier auf viele kleine beinah stumme Rollen, genommen aus des Elends Zubehör. Denn nur noch so entsteht (das wissen wir) aus Blinden, Fortgeworfenen und Tollen der Heiland wie ein einziger Akteur. III So ragen sie, die Herzen angehalten (sie stehn auf Ewigkeit und gingen nie); nur selten tritt aus dem Gefäll der Falten eine Gebärde, aufrecht, steil wie sie, und bleibt nach einem halben Schritte stehn wo die Jahrhunderte sie überholen. Sie sind im Gleichgewicht auf den Konsolen, in denen eine Welt, die sie nicht sehn, die Welt der Wirrnis, die sie nicht zertraten, Figur und Tier, wie um sie zu gefährden, sich krümmt und schüttelt und sie dennoch hält: weil die Gestalten dort wie Akrobaten sich nur so zuckend und so wild gebärden, damit der Stab auf ihrer Stirn nicht fällt. Geschrieben Juli 1907 in Paris
Da drin: das träge Treten und Tatzen macht eine Stille, die dich fast verwirrt; und wie dann plötzlich eine von den Katzen den Blick an ihr, der hin und wieder irrt, gewaltsam in ihr großes Auge nimmt, - den Blick, der wie von eines Wirbels Kreis ergriffen, eine kleine Weile schwimmt und dann versinkt und nichts mehr von sich weiß, wenn dieses Auge, welches scheinbar ruht, sich auftut und zusammenschlägt mit Tosen und ihn hineinreißt bis ins rote Blut - : So griffen einstmals aus dem Dunkelsein der Kathedralen große Fensterrosen ein Herz und rissen es in Gott hinein. Geschrieben Juli 1906 in Paris
Wie sich aus eines Traumes Ausgeburten aufsteigend aus verwirrendem Gequäl der nächste Tag erhebt: so gehn die Gurten der Wölbung aus dem wirren Kapitäl und lassen drin, gedrängt und rätselhaft verschlungen, flügelschlagende Geschöpfe: ihr Zögern und das Plötzliche der Köpfe und jene starken Blätter, deren. Saft wie Jähzorn steigt, sich schließlich überschlagend in einer schnellen Geste, die sich ballt und sich heraushält -: alles aufwärtsjagend, was immer wieder mit dem Dunkel kalt herunterfällt, wie Regen Sorge tragend für dieses alten Wachstums Unterhalt. Geschrieben Juli 1906 in Paris
Und sie hatten Ihn in sich erspart und sie wollten, dass er sei und richte, und sie hängten schließlich wie Gewichte (zu verhindern seine Himmelfahrt) an ihn ihrer großen Kathedralen Last und Masse. Und er sollte nur über seine grenzenlosen Zahlen zeigend kreisen und wie eine Uhr Zeichen geben ihrem Tun und Tagwerk. Aber plötzlich kam er ganz in Gang, und die Leute der entsetzten Stadt ließen ihn, vor seiner Stimme bang, weitergehn mit ausgehängtem Schlagwerk und entflohn vor seinem Zifferblatt. Geschrieben Juli 1907 in Paris
Da liegen sie bereit, als ob es gälte, nachträglich eine Handlung zu erfinden, die mit einander und mit dieser Kälte sie zu versühnen weiß und zu verbinden; denn das ist alles noch wie ohne Schluss. Wasfür ein Name hätte in den Taschen sich finden sollen? An dem Überdruss um ihren Mund hat man herumgewaschen: er ging nicht ab; er wurde nur ganz rein. Die Bärte stehen, noch ein wenig härter, doch ordentlicher im Geschmack der Wärter, nur um die Gaffenden nicht anzuwidern. Die Augen haben hinter ihren Lidern sich umgewandt und schauen jetzt hinein. Geschrieben Juli 1906 in Paris
I Meine Hand hat nur noch eine Gebärde, mit der sie verscheucht; auf die alten Steine fällt es aus Felsen feucht. Ich höre nur dieses Klopfen und mein Herz hält Schritt mit dem Gehen der Tropfen und vergeht damit. Tropften sie doch schneller, käme doch wieder ein Tier. Irgendwo war es heller -. Aber was wissen wir. II Denk dir, das was jetzt Himmel ist und Wind, Luft deinem Mund und deinem Auge Helle, das würde Stein bis um die kleine Stelle an der dein Herz und deine Hände sind. Und was jetzt in dir morgen heißt und dann und: späterhin und nächstes Jahr und weiter - das würde wund in dir und voller Eiter und schwäre nur und bräche nicht mehr an. Und das was war, das wäre irre und raste in dir herum, den lieben Mund der niemals lachte, schäumend von Gelächter. Und das was Gott war, wäre nur dein Wächter und stopfte boshaft in das letzte Loch ein schmutziges Auge. Und du lebtest doch. Geschrieben 1906 in Meudon
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, dass er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt. Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht. Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein, geht durch der Glieder angespannte Stille - und hört im Herzen auf zu sein. Im Jardin des Plantes, Paris. Geschrieben November 1902
Verzauberte: wie kann der Einklang zweier erwählter Worte je den Reim erreichen, der in dir kommt und geht, wie auf ein Zeichen. Aus deiner Stirne steigen Laub und Leier, und alles Deine geht schon im Vergleich durch Liebeslieder, deren Worte, weich wie Rosenblätter, dem, der nicht mehr liest, sich auf die Augen legen, die er schließt: um dich zu sehen: hingetragen, als wäre mit Sprüngen jeder Lauf geladen und schüsse nur nicht ab, solang der Hals das Haupt ins Horchen hält: wie wenn beim Baden im Wald die Badende sich unterbricht: den Waldsee im gewendeten Gesicht. Gazella Dorcas. Geschrieben Juli 1907 in Paris
Der Heilige hob das Haupt, und das Gebet fiel wie ein Helm zurück von seinem Haupte: denn lautlos nahte sich das Niegeglaubte, das weiße Tier, das wie eine geraubte hülflose Hindin mit den Augen fleht. Der Beine elfenbeinernes Gestell bewegte sich in leichten Gleichgewichten, ein weißer Glanz glitt selig durch das Fell, und auf der Tierstirn, auf der stillen, lichten, stand, wie ein Turm im Mond, das Horn so hell, und jeder Schritt geschah, es aufzurichten. Das Maul mit seinem rosagrauen Flaum war leicht gerafft, so dass ein wenig Weiß (weißer als alles) von den Zähnen glänzte; die Nüstern nahmen auf und lechzten leis. Doch seine Blicke, die kein Ding begrenzte, warfen sich Bilder in den Raum und schlossen einen blauen Sagenkreis. Geschrieben Winter 1906 in Meudon
Wie ein Liegender so steht er; ganz hingehalten von dem großen Willen. Weitentrückt wie Mütter, wenn sie stillen, und in sich gebunden wie ein Kranz. Und die Pfeile kommen: jetzt und jetzt und als sprängen sie aus seinen Lenden, eisern bebend mit den freien Enden. Doch er lächelt dunkel, unverletzt. Einmal nur wird seine Trauer groß, und die Augen liegen schmerzlich bloß, bis sie etwas leugnen, wie Geringes, und als ließen sie verächtlich los die Vernichter eines schönen Dinges. Geschrieben Winter 1906 in Meudon
Das war der Auftrag an die Malergilde. Vielleicht dass ihm der Heiland nie erschien; vielleicht trat auch kein heiliger Bischof milde an seine Seite wie in diesem Bilde und legte leise seine Hand auf ihn. Vielleicht war dieses alles: so zu knien (so wie es alles ist was wir erfuhren): zu knien: dass man die eigenen Konturen, die auswärts wollenden, ganz angespannt im Herzen hält, wie Pferde in der Hand. Dass wenn ein Ungeheueres geschähe, das nicht versprochen ist und nieverbrieft, wir hoffen könnten, dass es uns nicht sähe und näher käme, ganz in unsre Nähe, mit sich beschäftigt und in sich vertieft. - Geschrieben Juli 1906 in Paris
Mit einem Neigen seiner Stirne weist er weit von sich was einschränkt und verpflichtet; denn durch sein Herz geht riesig aufgerichtet das ewig Kommende das kreist. Die tiefen Himmel stehn ihm voll Gestalten, und jede kann ihm rufen: komm, erkenn - . Gieb seinen leichten Händen nichts zu halten aus deinem Lastenden. Sie kämen denn bei Nacht zu dir, dich ringender zu prüfen, und gingen wie Erzürnte durch das Haus und griffen dich als ob sie dich erschüfen und brächen dich aus deiner Form heraus. - Geschrieben Juli 1906 in Paris